Freitag, 11.05.2007 - 19.58 Uhr | Zurück zur Übersicht |
Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG) europarechtswidrig?
Das Arbeitsgericht Osnabrück hat das AGG für „europarechtswidrig“ erklärt und hielt eine Kündigung gegen einen älteren Arbeitnehmer wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 4 AGG für unwirksam.
Darin steht ausdrücklich, dass das AGG auf Kündigungen keine Anwendung findet. Das halten die Osnabrücker Richter aber für europarechtswidrig, weil die zu Grunde liegende EU-Diskriminierungs-Richtlinie sich auch auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen bezieht.
Das AGG ist seit Einführung heftig umstritten, da Experten vor allem die handwerkliche Umsetzung durch die große Koalition als "Pfusch" bezeichnet und vor europarechtswidrigen Regelungen gewarnt haben. Das letzte Wort hat das Bundesarbeitsgericht, jedoch könnte das Urteil weit reichende Folgen für Arbeitsgerichtprozesse gegen ältere Mitarbeiter haben.
In dem zu entscheidenden Fall hatte sich ein seit 1980 beschäftigter Mitarbeiter gegen eine betriebsbedingte Kündigung gewehrt. Wegen rückläufiger Umsatzzahlen hatte sich der Arbeitgeber dazu entschieden, sich von ca. 10 % der Mitarbeiter zu trennen. Zu diesem Zweck handelte er mit dem Betriebsrat Sozialplan und Interessenausgleich aus, wonach die Sozialauswahl zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur nach verschiedenen Altersgruppen möglichst prozentual gleichmäßig vorgenommen werden sollte. Durch vorausgegangene Kündigungen war der Altersdurchschnitt in dem Betrieb innerhalb von nur zwei Jahren von 37 auf 43 Jahre gestiegen. Ohne die Bildung von Altersgruppen hätte sich der Altersdurchschnitt um weitere vier Jahre erhöht.
Mittelfristig befürchtete der Arbeitgeber daher, es könnte die Produktion erheblich gestört werden, weil fast nur noch ältere Arbeitnehmer im Betrieb sein werden.
Diese Argumentation wertete das Gericht als reines Vorurteil. Es existierten nämlich keine empirischen Belege dafür, dass die Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter schwinde. Vielmehr sei vorliegend von einer Diskriminierung älterer Arbeitnehmer auszugehen, weil ohne die Altersgruppenbildung weniger ältere Arbeitnehmer gekündigt worden wären. Mit dieser Begründung kippte das Gericht nicht nur den gesamten Sozialplan, sondern auch die Regelungen im Interessenausgleich. Gleichzeitig wurde der Arbeitgeber dazu verurteilt, den klagenden Mitarbeiter weiterzubeschäftigen.
Es darf mit Spannung das Urteil des Bundesarbeitsgerichts abgewartet werden, insbesondere zu der Frage der Wirksamkeit des AAG. Jedenfalls ist jede betriebsbedingte Kündigung eines älteren Arbeitnehmers sorgfältig abzuwägen.
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