Mittwoch, 14.03.2012 - 11.21 Uhr | Zurück zur Übersicht |
Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis
Es ist schon seit langem umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber einen Mitarbeiter nach einer Schwerbehinderung fragen darf. Grundsätzlich wurde davon ausgegangen, dass die Frage nicht zulässig ist, wenn diese nicht für die Ausübung der Tätigkeit entscheidend ist.
Mit Urteil vom 16.02.2012 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese Frage jedenfalls für das bestehende Arbeitsverhältnis geklärt.
Es ist jedenfalls nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen.
Im zu entscheidenden Fall hatte ein schwerbehinderter Mitarbeitern in einem Fragebogen zur Vervollständigung bzw. Überprüfung der vorliegenden Daten der Mitarbeiter seine Schwerbehinderung verneint. Nach Ausspruch der Kündigung hatte der Mitarbeiter erstmals in der Klageschrift seine Schwerbehinderung mitgeteilt und hielt die Kündigung für unwirksam, weil das Integrationsamt ihr nicht zugestimmt habe. Das BAG hat wie schon das Landesarbeitsgericht angenommen, der Mitarbeiter könne sich auf den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte nicht berufen, weil er die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint habe.
Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung steht im Zusammenhang mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers durch die Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG, der die Berücksichtigung der Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl verlangt, sowie durch den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX, wonach eine Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Die Frage diskriminiert behinderte Arbeitnehmer auch nicht gegenüber solchen ohne Behinderung. Wegen der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach seiner Schwerbehinderung ist es dem Kläger verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.
Autor: Jürgen Mähler